Die Untüchtigen
Mitschnitt vom 01.04.2012 aus den Räumlichkeiten des Golem
Die Situationistische Internationale zu würdigen, heißt ihren Zeitkern zu retten.
Ab den 1950ern bis in die früher 1970er Jahre bewegte sie sich in »einer vom Krieg zerstörten Landschaft, den eine Gesellschaft gegen sich und ihre eigenen Möglichkeiten führt« – dies allerdings nicht als Avantgarde, sondern als »enfants perdues«, als versprengter Haufen, welcher mit der Aufhebung der Kunst meinte die »Nordwestpassage« der proletarischen Revolution gefunden zu haben.
Dabei fanden sie die Stellungen der alten Arbeiterbewegung im sozialen Krieg verlassen vor. Jede revolutionäre Perspektive schien im Spektakel der Blockkonfrontation verstellt, und die Niederlagen des revolutionären Anlaufs nach dem Ersten Weltkrieg bis in die 1930er Jahre schienen zementiert. Insbesondere traf dies auf jenes Drittel des Globus zu, wo dieses Scheitern von den nachholenden Modernisierungsregimen unter roter Fahne in eine nicht enden wollende Kette von Siegen umgelogen worden war.
Die scheinbare Unüberwindlichkeit dieser Welt fand ihren Ausdruck gerade auch in den vorherrschenden Bildervorräten gescheiterter Revolutionen, die den Vorstellungshorizont für eine künftige Umwälzung der Verhältnisse beschränkten.
Die S.I. setzte hingegen psychogeographisch an den spektakulären Bildern des Warenüberflusses an, um hieraus negatorisch einen möglichen, aber von der Warenform gefesselten Überfluss von Situationen, ein befreites Leben gesellschaftlicher Individuen vorauszusehen.
Als die SituationistInnen sich als Internationale formierten, herrschte der Monolog über die in der spektakulären Warenproduktion zum Zuschauen verdammten ProduzentInnen weltweit noch unter jeweils besonderen Bedingungen. Dieses Verhältnisse schienen für die Ewigkeit bestimmt zu sein: wie im Osten so im Westen, im Norden wie im Süden.
Mit von den historischen (Kunst-)Avantgarden entwendeten Techniken und unter vielem anderen mit Marx und Freud (sowie der tiefen Verachtung gegenüber jeglicher Duldsamkeit) ausgerüstet, legte die S.I. den Warenfetischismus als die Wurzel des Spektakels frei und eröffnete unverzüglich den feindlichen Dialog mit der alten Welt – wohl wissend, dass hierbei bereits in der Praxis der Theorie jede Nachlässigkeit in einer Verstärkung des Bekämpften münden würde.
In dem wieder eröffneten, blutig-ernsten Spiel ging es ihnen darum, die Dialektik von historisch bereits hervorgebrachten gesellschaftlichen Möglichkeiten und deren erbärmlicher Nutzung innerhalb der Zwecksetzung kapitalistischer Warenproduktion bewusst werden zu lassen, die darin entstehenden radikalen Bedürfnisse auf der Höhe der Zeit zu entdecken und mit ihnen ihre TrägerInnen: das revolutionäre Proletariat.
Situationen sollten konstruiert werden, welche dieses kenntlich und sich seiner selbst bewusst machen konnten.
Der Wettlauf mit der alten Welt würde sich in der Beschleunigung bei der Ausbreitung proletarischer Begierden entscheiden, und in der Entwendung bisher warenförmig gefesselter gesellschaftlicher Raumzeit für die praktische Kritik des Alltagslebens und das Eingehen neuer menschlicher Beziehungen.
»Die Revolution ist aufs Neue zu erfinden – das ist alles.« schrieben die SituationistInnen 1965. Dies sei Voraussetzung für die “Verwirklichung der Poesie”, denn in ihren Dienst wäre die Revolution zu stellen.
Was im wilden Generalstreik im Mai/Juni 1968 in Frankreich und später in Italien für kurze Zeit aufscheinen sollte, die Infragestellung aller Aspekte kapitalistischer Vergesellschaftung, erscheint heute kaum noch als Traum – geschweige denn, dass die Gegenwart TrägerInnen für ihn abzugeben schiene.
Es kann kein zurück geben zur SI. Gewürdigt werden könnte sie überhaupt nur dadurch, dass ihre Schwächen und Halbheiten grausam-gründliche KritikerInnen fänden, hofften sie in der letzten Ausgabe ihrer Zeitschrift 1969.
Den nächsten Anlauf zur Überwindung fetischistischer Vergesellschaftung nicht unter dem situationistischen Niveau zu unternehmen, heißt sich der aktuellen Bedingungen und Möglichkeiten gewahr zu werden – vor allem aber der unbeglichenen Schulden der Geschichte.
Kurze Einführung in die Geschichte der Situationistischen Internationale mit einem Teil des AutorInnenkollektivs BBZN und einem gelegentlichen Club53-Gänger
Die Untüchtigen
Mitschnitt vom 01.04.2012 aus den Räumlichkeiten des Golem
Die Situationistische Internationale zu würdigen, heißt ihren Zeitkern zu retten.
Ab den 1950ern bis in die früher 1970er Jahre bewegte sie sich in »einer vom Krieg zerstörten Landschaft, den eine Gesellschaft gegen sich und ihre eigenen Möglichkeiten führt« – dies allerdings nicht als Avantgarde, sondern als »enfants perdues«, als versprengter Haufen, welcher mit der Aufhebung der Kunst meinte die »Nordwestpassage« der proletarischen Revolution gefunden zu haben.
Dabei fanden sie die Stellungen der alten Arbeiterbewegung im sozialen Krieg verlassen vor. Jede revolutionäre Perspektive schien im Spektakel der Blockkonfrontation verstellt, und die Niederlagen des revolutionären Anlaufs nach dem Ersten Weltkrieg bis in die 1930er Jahre schienen zementiert. Insbesondere traf dies auf jenes Drittel des Globus zu, wo dieses Scheitern von den nachholenden Modernisierungsregimen unter roter Fahne in eine nicht enden wollende Kette von Siegen umgelogen worden war.
Die scheinbare Unüberwindlichkeit dieser Welt fand ihren Ausdruck gerade auch in den vorherrschenden Bildervorräten gescheiterter Revolutionen, die den Vorstellungshorizont für eine künftige Umwälzung der Verhältnisse beschränkten.
Die S.I. setzte hingegen psychogeographisch an den spektakulären Bildern des Warenüberflusses an, um hieraus negatorisch einen möglichen, aber von der Warenform gefesselten Überfluss von Situationen, ein befreites Leben gesellschaftlicher Individuen vorauszusehen.
Als die SituationistInnen sich als Internationale formierten, herrschte der Monolog über die in der spektakulären Warenproduktion zum Zuschauen verdammten ProduzentInnen weltweit noch unter jeweils besonderen Bedingungen. Dieses Verhältnisse schienen für die Ewigkeit bestimmt zu sein: wie im Osten so im Westen, im Norden wie im Süden.
Mit von den historischen (Kunst-)Avantgarden entwendeten Techniken und unter vielem anderen mit Marx und Freud (sowie der tiefen Verachtung gegenüber jeglicher Duldsamkeit) ausgerüstet, legte die S.I. den Warenfetischismus als die Wurzel des Spektakels frei und eröffnete unverzüglich den feindlichen Dialog mit der alten Welt – wohl wissend, dass hierbei bereits in der Praxis der Theorie jede Nachlässigkeit in einer Verstärkung des Bekämpften münden würde.
In dem wieder eröffneten, blutig-ernsten Spiel ging es ihnen darum, die Dialektik von historisch bereits hervorgebrachten gesellschaftlichen Möglichkeiten und deren erbärmlicher Nutzung innerhalb der Zwecksetzung kapitalistischer Warenproduktion bewusst werden zu lassen, die darin entstehenden radikalen Bedürfnisse auf der Höhe der Zeit zu entdecken und mit ihnen ihre TrägerInnen: das revolutionäre Proletariat.
Situationen sollten konstruiert werden, welche dieses kenntlich und sich seiner selbst bewusst machen konnten.
Der Wettlauf mit der alten Welt würde sich in der Beschleunigung bei der Ausbreitung proletarischer Begierden entscheiden, und in der Entwendung bisher warenförmig gefesselter gesellschaftlicher Raumzeit für die praktische Kritik des Alltagslebens und das Eingehen neuer menschlicher Beziehungen.
»Die Revolution ist aufs Neue zu erfinden – das ist alles.« schrieben die SituationistInnen 1965. Dies sei Voraussetzung für die “Verwirklichung der Poesie”, denn in ihren Dienst wäre die Revolution zu stellen.
Was im wilden Generalstreik im Mai/Juni 1968 in Frankreich und später in Italien für kurze Zeit aufscheinen sollte, die Infragestellung aller Aspekte kapitalistischer Vergesellschaftung, erscheint heute kaum noch als Traum – geschweige denn, dass die Gegenwart TrägerInnen für ihn abzugeben schiene.
Es kann kein zurück geben zur SI. Gewürdigt werden könnte sie überhaupt nur dadurch, dass ihre Schwächen und Halbheiten grausam-gründliche KritikerInnen fänden, hofften sie in der letzten Ausgabe ihrer Zeitschrift 1969.
Den nächsten Anlauf zur Überwindung fetischistischer Vergesellschaftung nicht unter dem situationistischen Niveau zu unternehmen, heißt sich der aktuellen Bedingungen und Möglichkeiten gewahr zu werden – vor allem aber der unbeglichenen Schulden der Geschichte.
Kurze Einführung in die Geschichte der Situationistischen Internationale mit einem Teil des AutorInnenkollektivs BBZN und einem gelegentlichen Club53-Gänger