Kasper an die Macht. Donald Trump und die Selbstzerlegung der herrschenden Klasse. Mit Lars Quadfasel.
Als Donald Trump, einschwebend auf einer Rolltreppe, seine Kandidatur für das Präsidentschaftsamt erklärte, konnten die US-amerikanischen Satiriker ihre Begeisterung kaum verhehlen: Wieviel Spaß man doch mit dem Milliardärsdarsteller und wandelndem Fettnapf haben werde! Jetzt, mehr als ein Jahr und einen siegreich bestrittenen republikanischen Vorwahlkampf später, ist selbst den größten Frohnaturen das Lachen vergangen, und ungläubig nimmt man die Umfragen zur Kenntnis, die Trump für den November eine reelle Siegchance einräumen.
Die Reaktionen der Liberalen und Linken auf den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg des Celebrity-Demagogen sind geteilt. Während die einen warnend auf Deutschland 1933 verweisen (und damit unwillkürlich in Trumps Untergangsszenarien mit einstimmen), wiegeln die anderen ab: Trump habe gar keine konsistente Ideologie, sondern sage nur, was ihm gerade opportun erscheine, unbekümmert um sein dummes Geschwätz von gestern; man dürfe also seine Ankündigungen, was Mauern, Einreiseverbote oder Kriegsverbrechen betrifft, nicht ernster nehmen, als Trump selbst es tue. Das freilich übersieht, dass Prinzipienlosigkeit nicht gerade einen Grund zur Entwarnung darstellt. Solange republikanische Präsidentschaftskandidaten noch den Parteidogmen von Bibel, Verfassung und Freihandel huldigen mussten, waren den Ressentiments der Basis noch gewisse Grenzen gesetzt; seit Trumps Siegeszug diese Hindernisse aus dem Weg geräumt hat, kann sich die Paranoia ungehemmt Bahn brechen. Trump verspricht seinen Wählern nicht das Blaue vom Himmel, sondern doom and gloom für alle: den anderen jene Hölle zu bereiten, als die man selbst die Welt empfindet. Konsistente Programmatik wäre dabei nur hinderlich.
Wenn Trump derart das Erbe der europäischen Gegenaufklärung antritt (und dabei zuweilen ganz offen mit faschistischer Symbolik spielt), so darf dennoch der Inszenierungscharakter nicht übersehen werden. Wie schon Hegel und Marx bemerkten, ereignet Geschichte sich immer dreimal: einmal als Tragödie, einmal als Farce und einmal als Reality TV. Trump führt keine Braunhemden ins Feld, sondern Einschaltquoten, und seine Machtdemonstrationen beschränken sich bislang im Wesentlichen auf die Mattscheibe. In der neuen, postmodernen Gestalt des altbekannten Demagogen kommt Kulturindustrie zu sich selbst, mit bislang noch unabsehbaren Konsequenzen – von gar keinen bis zur atomaren Selbstauschlöschung.
Diese Konstellation zu analysieren erscheint umso dringlicher, als sie nicht auf die USA beschränkt ist. Fast überall zeigt sich die bürgerliche Demokratie in erbarmunsgwürdigem Zustand: Egal, wo gewählt wird, es triumphieren die losgelassenen Kleinbürger. Die Briten beschließen demokratisch die Senkung des eigenen Lebensstandards; die Franzosen machen den Front National zur stärksten Partei, und die Philippinen wählen einen sich mit seinen Morden brüstenden Gangster zum Präsidenten; und wer als vernünftiger Mensch anlässlich des türkischen Militärputsches Partei ergreifen wollte, konnte es jedenfalls nicht auf Seiten der gewählten Regierung tun. Es scheint, als wetteiferten Volk und Eliten darum, wer inkompetenter und bösartiger sei; gemeinsam treibt man so die Entwicklung vom ideellen Gesamtkapitalisten zum reellen Gesamtwiderling voran. Trump mag im November noch aufgehalten werden, aber die Gesellschaftszerrüttung, deren Symptom er bildet, wird bleiben, und darum soll es in dem Vortrag gehen.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Hamburger Studienbibliothek (HSB) im Rahmen unserer kleinen Reihe zur US-Präsidentschaftswahl »God’s own country«.
Ort: Golem / Einlass: 20 Uhr / Beginn: 20:30 Uhr
Kasper an die Macht. Donald Trump und die Selbstzerlegung der herrschenden Klasse. Mit Lars Quadfasel.
Als Donald Trump, einschwebend auf einer Rolltreppe, seine Kandidatur für das Präsidentschaftsamt erklärte, konnten die US-amerikanischen Satiriker ihre Begeisterung kaum verhehlen: Wieviel Spaß man doch mit dem Milliardärsdarsteller und wandelndem Fettnapf haben werde! Jetzt, mehr als ein Jahr und einen siegreich bestrittenen republikanischen Vorwahlkampf später, ist selbst den größten Frohnaturen das Lachen vergangen, und ungläubig nimmt man die Umfragen zur Kenntnis, die Trump für den November eine reelle Siegchance einräumen.
Die Reaktionen der Liberalen und Linken auf den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg des Celebrity-Demagogen sind geteilt. Während die einen warnend auf Deutschland 1933 verweisen (und damit unwillkürlich in Trumps Untergangsszenarien mit einstimmen), wiegeln die anderen ab: Trump habe gar keine konsistente Ideologie, sondern sage nur, was ihm gerade opportun erscheine, unbekümmert um sein dummes Geschwätz von gestern; man dürfe also seine Ankündigungen, was Mauern, Einreiseverbote oder Kriegsverbrechen betrifft, nicht ernster nehmen, als Trump selbst es tue. Das freilich übersieht, dass Prinzipienlosigkeit nicht gerade einen Grund zur Entwarnung darstellt. Solange republikanische Präsidentschaftskandidaten noch den Parteidogmen von Bibel, Verfassung und Freihandel huldigen mussten, waren den Ressentiments der Basis noch gewisse Grenzen gesetzt; seit Trumps Siegeszug diese Hindernisse aus dem Weg geräumt hat, kann sich die Paranoia ungehemmt Bahn brechen. Trump verspricht seinen Wählern nicht das Blaue vom Himmel, sondern doom and gloom für alle: den anderen jene Hölle zu bereiten, als die man selbst die Welt empfindet. Konsistente Programmatik wäre dabei nur hinderlich.
Wenn Trump derart das Erbe der europäischen Gegenaufklärung antritt (und dabei zuweilen ganz offen mit faschistischer Symbolik spielt), so darf dennoch der Inszenierungscharakter nicht übersehen werden. Wie schon Hegel und Marx bemerkten, ereignet Geschichte sich immer dreimal: einmal als Tragödie, einmal als Farce und einmal als Reality TV. Trump führt keine Braunhemden ins Feld, sondern Einschaltquoten, und seine Machtdemonstrationen beschränken sich bislang im Wesentlichen auf die Mattscheibe. In der neuen, postmodernen Gestalt des altbekannten Demagogen kommt Kulturindustrie zu sich selbst, mit bislang noch unabsehbaren Konsequenzen – von gar keinen bis zur atomaren Selbstauschlöschung.
Diese Konstellation zu analysieren erscheint umso dringlicher, als sie nicht auf die USA beschränkt ist. Fast überall zeigt sich die bürgerliche Demokratie in erbarmunsgwürdigem Zustand: Egal, wo gewählt wird, es triumphieren die losgelassenen Kleinbürger. Die Briten beschließen demokratisch die Senkung des eigenen Lebensstandards; die Franzosen machen den Front National zur stärksten Partei, und die Philippinen wählen einen sich mit seinen Morden brüstenden Gangster zum Präsidenten; und wer als vernünftiger Mensch anlässlich des türkischen Militärputsches Partei ergreifen wollte, konnte es jedenfalls nicht auf Seiten der gewählten Regierung tun. Es scheint, als wetteiferten Volk und Eliten darum, wer inkompetenter und bösartiger sei; gemeinsam treibt man so die Entwicklung vom ideellen Gesamtkapitalisten zum reellen Gesamtwiderling voran. Trump mag im November noch aufgehalten werden, aber die Gesellschaftszerrüttung, deren Symptom er bildet, wird bleiben, und darum soll es in dem Vortrag gehen.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Hamburger Studienbibliothek (HSB) im Rahmen unserer kleinen Reihe zur US-Präsidentschaftswahl »God’s own country«.
Ort: Golem / Einlass: 20 Uhr / Beginn: 20:30 Uhr