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So, 03.04.2016 | Tek Devlet, Tek Hakikat

Über die aktuellen Konfliktlinien in der Türkei

Berichte aus der Türkei wirken in diesen Tagen überzeichnet. Hätte man die letzten Wochen als abgründigen, dystopischen Film erzählt, er wäre als zu grell, zu dreist und zu durchschaubar verrissen worden. Bürgerliche Staaten agieren immer interessengeleitet und gewaltvoll, aber verhängen ihre Brutalität für gewöhnlich mit hübschen Werten. Noch jedes Waffengeschäft wird als Entwicklungshilfe, jedes Flächenbombardement als Feuerwerk der Aufklärung verbrämt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu haben es derzeit nicht nötig, so zu tun, als hätten sie nur das Wohle der Menschheit im Sinn. Sie verfolgen ihre Agenda nicht mit konzilianter Rhetorik, sondern mit polizeilicher und militärischer Härte. Erdogan sieht sich in göttlicher Mission und wird von seinen Anhängern als Heilsbringer verehrt.

Die AKP-Basis berauscht sich an den Machtdemonstrationen ihres Regimes. Die kurdische Bevölkerung, türkische Linksradikale und selbst konservative, ehemalige Herrschaftsfraktionen stehen buchstäblich im Fadenkreuz des Staates. Sie werden ausgegrenzt und zum Abschuss freigegeben, um entlang solcher Feindbestimmungen die Nation nach innen zu festigen und nach außen als neo-osmanische Großmacht in Position zu bringen.

Das Zurückdrängen des Laizismus und die häppchenweise Zunahme religiöser Gängelungen im Alltag waren nur ein Vorgeschmack auf die aktuellen Beschneidung gesellschaftlicher Freiheiten. Die AKP-Regierung hat in den letzten Monaten auch den Friedensprozess mit der PKK begraben, um Wahlerfolge der pro-kurdischen HDP zu verhindern und eine Ausweitung der kurdischen Selbstverwaltung in Syrien und dem Nordirak aufzuhalten. Durch die neuerliche Eskalation haben sich die ostanatolischen Städte in ein Kriegsgebiet mit hunderten Toten verwandelt. Die Bilder aus Diyarbakir und Cizre lassen sich von Aufnahmen aus dem syrischen Kobane oder Aleppo kaum noch unterscheiden. Aber auch in Istanbul und Ankara werden Demonstrationen von der Polizei auseinander geschossen, Oppositionelle und kritische Journalisten für ihre Arbeit inhaftiert, Parteibüros der HDP in Brand gesetzt, Zeitungsredaktionen verwüstet, Medienhäuser unter Zwangsverwaltungen gestellt und auf Linie gebracht.

Der Staat und seine Schlägertrupps sind vielbeschäftigt. Im Windschatten der anhaltenden Migration nach Europa haben sie freie Bahn. Die Türkei weiß, dass sie zur Flüchtlingsbekämpfung gebraucht wird. Die EU behelligt ihren neuen besten Freund gar nicht erst mit dem üblichen Menschenrechtsgeklingel.

Vieles bleibt für uns aus der Ferne undurchsichtig. Aus diesem Grund haben wir uns vorgenommen, mit einer Abendveranstaltung die Türkei ein wenig ausleuchten. Wie verlaufen die Konflikte und woher kommen sie? Unter welchen Bedingungen lebt die Bevölkerung derzeit in den kurdischen Gebieten? Welche Basis und welchen Einfluss hat die PKK? Warum stellen die kurdischen Organisationen YPG und YPJ für die Türkei im syrischen Bürgerkrieg das größere Problem als der IS dar? Warum treibt es bei der Verteidigung des Istanbuler Gezi-Parks 2013 Tausende auf die Straße, während oppositionelle und linke Gruppen 2016 dem täglichen Sterben von Menschen scheinbar wie paralysiert zusehen?

Diese und viele weitere Fragen wollen wir am Sonntag, den 03.04.2016 mit dem Vorsitzenden der kurdischen Gemeinde in Deutschland Ali Ertan Toprak und dem Autoren und Blogger Danyal diskutieren. Es moderiert Svenna Triebler (konkret und Jungle World)

Einlass: 20 Uhr. Beginn: 20:30 Uhr. Einlass: 3,- €

tuerkei-18

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