Antisemitische Ideologie und Praxis bei den Bayreuther Festspielen 1876 bis 1944. Mitschnitt des Vortrag aus dem GOLEM im Rahmen der Reihe „Die Untüchtigen“ vom 15. Dezember 2013. Wir bitten die durch einen Aufnahmefehler verursachte klägliche Qualität zu entschuldigen.
„Das Kunstwerk der Zukunft“, dem Richard Wagner in seinen Musik-Dramen im abgelegenen Bayreuth eine spektakuläre Bühne erschuf, wollte eine neue Ästhetik und war zugleich eine Kriegserklärung an die durch die politische und industrielle Revolution im 18. und 19. Jahrhundert entstandene Welt der Moderne. Als deren Verkörperung galt Wagner „der Jude“, den er als den „geborenen Feind der reinen Menschheit und alles Edlen in ihr“ ansah. Diese angeblich vom „Juden“ geschaffene Welt der Politik, der Unfähigkeit zur Liebe, der Kulturlosigkeit, der Tücke, des Geldes, des Nihilismus ließ er in Figuren wie Beckmesser, Mime, Alberich, Hagen, Kundry und Klingsor Bühnenwirklichkeit werden – alles „Judenkarikaturen“ (Theodor W. Adorno), denen die „deutschen“ Helden Sachs, Siegfried, Brünnhilde und Parsifal entgegengestellt wurden. In seinen antisemitischen Pamphleten attackierte er das Judentum als „den Dämon des Verfalls der Menschheit“ und propagierte dessen „gewaltsame Auswerfung“, das heißt – die „Ausweisung“.
Nach dem Tod des „Meisters“ erbte Cosima Wagner mit den Festspielen auch dessen antagonistische Bühnenwelt. Sie machte aus dem Erbe kein Mausoleum, sondern ein politisches Instrument: Die Inszenierung der Meistersinger 1888 war die erste geplante „judenfreie“ Aufführung in der deutschen Theatergeschichte. In der Folge wurden „jüdische“ Künstler nur eingeladen, wenn keine „deutschen“ zur Verfügung standen und dann nur für die kleinen Rollen oder für die „Judenkarikaturen“.
Ihr Sohn und Nachfolger Siegfried Wagner hat diese antisemitische Besetzungspolitik ab 1908 übernommen. Und er hat unter Anleitung seines Schwagers Houston Stewart Chamberlain, dem Begründer des modernen Rassenantisemitismus, das Feld der antisemitisch-deutschnationalen Tagespolitik betreten: 1916 wurden er und Chamberlain Mitglieder des „Alldeutschen Verbandes“, der rechtsextremen Denkfabrik des Kaiserreichs. 1917 wurde die ganze Familie Mitglied der für den Endsieg eintretenden „Vaterlandspartei“. Und 1923 traten die Angehörigen des Wagner-Clans, nach dem ersten Besuch Hitlers in Wahnfried, in die NSDAP ein. Siegfried duzte von da an den „Führer“ und Winifred verliebte sich in ihn. Dass die Festspiele ab 1933 endgültig zu „Hitlers Hoftheater“ (Thomas Mann) wurden, war also kein Zufall.
Hannes Heer:
Geboren 1941. 1980 bis 1985 Dramaturg und Regisseur am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. 1993 bis 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung und Leiter des Ausstellungsprojektes „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte von Nationalsozialismus, Krieg und Nachkriegserinnerung. Lebt als Historiker, Publizist und Ausstellungsmacher in Hamburg.
Antisemitische Ideologie und Praxis bei den Bayreuther Festspielen 1876 bis 1944. Mitschnitt des Vortrag aus dem GOLEM im Rahmen der Reihe „Die Untüchtigen“ vom 15. Dezember 2013. Wir bitten die durch einen Aufnahmefehler verursachte klägliche Qualität zu entschuldigen.
„Das Kunstwerk der Zukunft“, dem Richard Wagner in seinen Musik-Dramen im abgelegenen Bayreuth eine spektakuläre Bühne erschuf, wollte eine neue Ästhetik und war zugleich eine Kriegserklärung an die durch die politische und industrielle Revolution im 18. und 19. Jahrhundert entstandene Welt der Moderne. Als deren Verkörperung galt Wagner „der Jude“, den er als den „geborenen Feind der reinen Menschheit und alles Edlen in ihr“ ansah. Diese angeblich vom „Juden“ geschaffene Welt der Politik, der Unfähigkeit zur Liebe, der Kulturlosigkeit, der Tücke, des Geldes, des Nihilismus ließ er in Figuren wie Beckmesser, Mime, Alberich, Hagen, Kundry und Klingsor Bühnenwirklichkeit werden – alles „Judenkarikaturen“ (Theodor W. Adorno), denen die „deutschen“ Helden Sachs, Siegfried, Brünnhilde und Parsifal entgegengestellt wurden. In seinen antisemitischen Pamphleten attackierte er das Judentum als „den Dämon des Verfalls der Menschheit“ und propagierte dessen „gewaltsame Auswerfung“, das heißt – die „Ausweisung“.
Nach dem Tod des „Meisters“ erbte Cosima Wagner mit den Festspielen auch dessen antagonistische Bühnenwelt. Sie machte aus dem Erbe kein Mausoleum, sondern ein politisches Instrument: Die Inszenierung der Meistersinger 1888 war die erste geplante „judenfreie“ Aufführung in der deutschen Theatergeschichte. In der Folge wurden „jüdische“ Künstler nur eingeladen, wenn keine „deutschen“ zur Verfügung standen und dann nur für die kleinen Rollen oder für die „Judenkarikaturen“.
Ihr Sohn und Nachfolger Siegfried Wagner hat diese antisemitische Besetzungspolitik ab 1908 übernommen. Und er hat unter Anleitung seines Schwagers Houston Stewart Chamberlain, dem Begründer des modernen Rassenantisemitismus, das Feld der antisemitisch-deutschnationalen Tagespolitik betreten: 1916 wurden er und Chamberlain Mitglieder des „Alldeutschen Verbandes“, der rechtsextremen Denkfabrik des Kaiserreichs. 1917 wurde die ganze Familie Mitglied der für den Endsieg eintretenden „Vaterlandspartei“. Und 1923 traten die Angehörigen des Wagner-Clans, nach dem ersten Besuch Hitlers in Wahnfried, in die NSDAP ein. Siegfried duzte von da an den „Führer“ und Winifred verliebte sich in ihn. Dass die Festspiele ab 1933 endgültig zu „Hitlers Hoftheater“ (Thomas Mann) wurden, war also kein Zufall.
Hannes Heer:
Geboren 1941. 1980 bis 1985 Dramaturg und Regisseur am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. 1993 bis 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung und Leiter des Ausstellungsprojektes „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte von Nationalsozialismus, Krieg und Nachkriegserinnerung. Lebt als Historiker, Publizist und Ausstellungsmacher in Hamburg.