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So, 06.04.2014 | Roger Behrens: 50 Jahre »Der eindimensionale Mensch« von Herbert Marcuse

»Im Brennpunkt meiner Analyse stehen Tendenzen in den höchstentwickelten gegenwärtigen Gesellschaften. Es gibt weite Bereiche innerhalb und außerhalb dieser Gesellschaften, wo die beschriebenen Tendenzen nicht herrschen – ich würde sagen: noch nicht herrschen. Ich entwerfe diese Tendenzen und biete einige Hypothesen, nichts weiter.« – Herbert Marcuse, ›Der eindimensionale Mensch‹, 1964

Vor fünfzig Jahren erscheint in den USA Herbert Marcuses ›One-Dimensional Man‹, kurze Zeit später liegt das Buch auch in anderen Sprachen vor, so in deutscher Übersetzung 1967. Das Buch wird ein Bestseller, begleitet die internationalen Protestbewegungen der sechziger und siebziger Jahre. Dann wird es in seiner Popularität in den Achtzigern, schließlich Neunzigern durch andere Bücher mit anderen Theorien ersetzt; und trotz aller Revolutionen, Revolten und Rebellionen erscheint die Welt heute wieder so, wie Marcuse sie allein schon in der Vorrede beschrieben hat: von einer »Paralyse der Kritik« in einer »Gesellschaft ohne Opposition« ist da die Rede.

›Der eindimensionale Mensch‹ ist vor allem: kritische Theorie der Gesellschaft als Herrschaftskritik. Weniger geht es Marcuse dabei um die Analyse von dem, was offensichtlich ist – den Terror von Hunger, Krieg und Diktatur –, sondern um solche repressiven Strukturen, die nunmehr bereitwillig von den Menschen akzeptiert, verfestigt und reproduziert werden, also um Formen der Kontrolle, die paradox als Freiheit und Glück erscheinen. »Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft«, so lautet der Untertitel des ›Eindimensionalen Menschen‹. Die fortgeschrittene Industriegesellschaft indes ist die moderne Konsumgesellschaft, der Kapitalismus im Übergang vom Fordismus zum Postfordismus, die Affluent Society, also Überflussgesellschaft, in der für die Gesamtbevölkerung ein relativer Wohlstand garantiert zu sein scheint – ein Lebensstandard, der durch ein totales System von Arbeit, Leistung und Verzicht aufrechterhalten wird.

Der Abend führt durch zentrale Motive, die Herbert Marcuse in ›Der eindimensionale Mensch‹ und anderen Schriften entwickelt hat. Dabei geht es um Aktualität und Aktualisierung: Ist die Forderung nach einer »Großen Weigerung«, die Marcuse am Ende des Buches als einzige Möglichkeit postuliert, heute noch relevant?

Durch den Abend führt Roger Behrens – er macht beim FSK jeden ersten Mittwoch im Monat die Freibaduniversität, die sich in diesem Jahr mit Herbert Marcuse und „Der eindimensionale Mensch“ beschäftigt. Außerdem hat er 2000 beim Ventil-Verlag „Übersetzungen – Konkrete Philosophie, Praxis und kritische Theorie. Studien zu Herbert Marcuse“ veröffentlicht.

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